Am Freitagabend, den 05.03., diskutierte ich gemeinsam mit Heinz Hilgers, Stefan Stein und Landrat Thomas Will über die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder. Wir waren uns dabei alle einig: das vergangene Jahr hat gravierende Folgen für Kinder und verschärft die Chancenungleichheit nochmal mehr. Im Folgenden eine Zusammenfassung zu den wichtigsten Punkten der Veranstaltung:
Kontaktbeschränkungen, die unterschiedlichen Voraussetzungen beim Homeschooling, weggebrochene Routine, Traditionen und Anlaufstellen – all das sorgt dafür, dass viele Kinder und Jugendliche zurückgelassen werden oder gar vom Radar verschwunden sind.
„Unsere große Sorge ist, dass einige Kinder abgetaucht sind und wir wissen nicht, wie es ihnen geht. Die Kontrollinstanz Schule fällt weg. Daher fordern wir, die Kinder einmal die Woche zu sehen, damit wir wissen, dass es ihnen gut geht“, sagte Stefan Stein, Vorsitzender des Kreiselternbeirats.
Auch Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds vermutet, dass die Dunkelziffer der Kindeswohlgefährdung hoch ist. „Schulen und Kitas können zurzeit viel weniger melden, weil sie die Kinder selbst kaum sehen.“ Stefan Stein weist darauf hin, dass wir aktuell in einem Interessenskonflikt sind zwischen der Eindämmung der Pandemie und dem Anspruch für die Kinder, sie weiterhin zu fördern und für Normalität zu sorgen.
Kerstin Geis spricht den Digitalpakt zwischen Bund und Länder an. „Gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, wie groß das digitale Defizit an Schulen und zuhause ist. Hat die Pandemie denn an der digitalen Aufrüstung etwas geändert?“ Landrat Thomas Will verneint. „Wir haben im Kreis WLAN nachgerüstet, Endgeräte beschafft und nochmal aufgestockt. Einzelne Maßnahmen wurden beschleunigt, aber im Großen und Ganzen hat Corona an der digitalen Revolution nichts geändert.“
Heinz Hilgers erwähnt, dass digitaler Unterricht lediglich ein zusätzliches Hilfsmittel ist und keinen Ersatz für den Präsenzunterricht darstellt. Auch Stefan Stein teilt diese Meinung. „Für jüngere Kinder oder Förderschulkinder ist digitaler Unterricht schwierig. Und Distanzunterricht ohne digitale Ausstattung klappt nicht. Der fehlende digitale Fortschritt wäre definitiv vermeidbar gewesen.“
„Was können Entscheidungsträger tun, um die Auswirkungen für Kinder und Jugendliche einzudämmen?“, fragt Kerstin Geis, Moderatorin der Veranstaltung.
Heinz Hilgers schlägt eine bessere Berufsplanung an Schulen und ein besseres Konzept für den Übergang von Schule zu Beruf vor, damit alle Schülerinnen und Schüler einen Ausbildungsplatz finden. „Das darf nicht warten, denn wenn Schulabgängerinnen- und Abgänger erstmal ein Jahr zuhause sitzen ohne Perspektive, wird es schwer, sich wieder an eine Routine anzuschließen.“ Dazu gehören Maßnahmen, ein Finanzrahmen und eine Durchführung. Stefan Stein pflichtet dem bei. „Es müssen alle Mittel ausgeschöpft werden, um Abschlüsse möglich zu machen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu garantieren.“
Thomas Will weist auf eine Maßnahme des Kreises hin, die durch den beschlossenen Haushalt in Kraft tritt, nämlich die Aufstockung von Schulsozialarbeit. „Das ist enorm wichtig, denn diese Leute brauchen wir an unseren Schulen, wenn der Regelbetrieb zurückkehrt.“
Alle Diskussionsteilnehmerinnen- und Teilnehmer sind sich am Ende des Gesprächs einig, dass der Staat eine große Aufgabe vor sich an, Kinderrechte viel stärker im Grundgesetz vertreten sein müssen und die eigentliche Herausforderung beginnt, sobald der Alltag wieder langsam einkehrt.
„Kinder sind kein Eigentum“, so Hilgers. „Kinder sind Menschen mit einer eigenen Menschenwürde. Staatliche Verantwortung beginnt jetzt und nicht erst, wenn das Problem sichtbar wird. Denn dann ist es zu spät.“