Vereinbarkeit von Familie und Beruf dringend voran bringen – Erkenntnisse aus dem Lohnatlas für den Kreis Groß-Gerau

Frauen verdienen noch immer weniger Geld als Männer. Besonders auf dem Land sind die Einkommensunterschiede gravierend, heißt es im „Hessischen Lohnatlas“, der kürzlich vorgestellt wurde. Das hessische Sozialministerium hatte die 40.000 Euro teure Studie beim Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Frankfurter Goethe-Universität in Auftrag gegeben. Ausgewertet wurden darin die Daten aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen und Männer in Vollzeit aus dem Jahr 2015. Grundlage sind Berechnungen des Statistischen Bundesamtes für sämtliche 26 Kreise und kreisfreien Städte. Große regionale Abweichungen sind nach Angabe der Autoren vor allem auf die unterschiedlichen Strukturen des Arbeitsmarktes zurückzuführen. Gibt es einerseits in ländlichen Regionen mit meist kleineren Betrieben weniger Frauen in Führungspositionen, so sind auch Staatsangehörigkeit, Qualifikationen und Branchen wichtige Einflussfaktoren.

„Die Zahlen sind sehr interessant, wenn das Gesamtbild dadurch auch nur bedingt wieder gegeben wird“, befand die Landtagsabgeordnete Kerstin Geis. Sie betonte damit, was auch die Studie feststellen muss. Beispielsweise im Landkreis Groß-Gerau gehen mit 48,1 Prozent fast die Hälfte der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen einer Teilzeitarbeit nach (21.368 Frauen), befinden sich zudem 8.108 Frauen in einer ausschließlich geringfügen Beschäftigung und weitere 4.050 Frauen sind arbeitslos. „Die Statistik nicht nur auf Vollzeitbeschäftigte zu begrenzen, würde die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen noch viel deutlicher vor Augen führen“, so Geis.

Dennoch machen die Zahlen für den Kreis Groß-Gerau mit der Sonderstatusstadt Rüsselsheim, umgeben von den Zentren der Rhein-Main-Region (Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Mainz), einiges deutlich. Im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt sind im Kreis weniger Frauen unter den sozialversicherungspflichtig Vollbeschäftigten (31,5 zu 33 Prozent). Trotz positiver Entwicklung ist Entgeltgleichheit im Kreis längst nicht gegeben. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt 16,3 Prozent, ist damit ebenfalls schlechter als der Landesdurchschnitt (nur 14,1 Prozent). Damit verdienen Frauen im Schnitt des monatlichen Brutto 593 Euro weniger als Männer. Die Studie stellt fest, dass sich die Größe der Lohnlücken im Kreis Groß-Gerau je nach Berufsabschluss deutlich unterscheiden. Bei Beschäftigten ohne Berufsabschluss, mit einem Frauenanteil von 25 Prozent, beträgt die Lücke bspw. 5,4 Prozent. Frauen erhalten hier durchschnittlich 140 Euro weniger Lohn. Bei Akademikerinnen ist ein um 1.855 Euro geringeres Entgelt zu verzeichnen. Die Lohnlücke beträgt hier gar 31,3 Prozent. „Interessant ist, dass das Entgeltniveau bei den Beschäftigten ohne Berufsabschluss leicht über dem Landesschnitt liegt, während die Entgelte bei den qualifizierten Beschäftigten im Landesvergleich eher niedriger sind“, so die Studie. Betrachtet man die verschiedenen Berufssektoren ergeben sich weitere interessante Aspekte. Im Landesvergleich verdienen Frauen in Produktionsberufen und MINT-Berufen überdurchschnittlich hohe Entgelte. Allerdings ist der Frauenanteil in diesen Berufen geringer als im Landesmittel, die Lohnlücke (10,2 Prozent) liegt im Schnitt. Die Lohnlücke in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen ist besser als in ganz Hessen. Erst recht gilt das für die kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufe (6,7 zu 12,2 Prozent). Die geringere Lohnlücke als im Landesschnitt ist aber vor allem durch das insgesamt niedrigere Entgeltniveau im Kreis Groß-Gerau bedingt.

Bis zum Jahr 2020 wird ein Fachkräftemangel prognostiziert. „Um diese Lücke zu füllen,“ so die Schlussfolgerung des Lohnatlas, „bieten sich die bisher noch nicht erschlossenen Potenziale einer großen Zahl von Frauen an, die im Kreis Groß-Gerau leben und sich derzeit in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung befinden oder arbeitslos sind“. Kerstin Geis sieht hier entscheidende Ansatzpunkte für eine politische Steuerung der Entwicklung. „Neben gezielt zugeschnittenen Qualifizierungsmaßnahmen sehe ich hier einen besonderen möglichen Effekt durch die Verbesserung von Betreuungszahlen von Kindern. Gerade Frauen profitieren davon“ so Geis. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dringend voran zu bringen, sei eine Forderung die die vorgelegte Studie unmittelbar nahe lege. Die Förderung von Frauen sei somit nicht zuletzt ein entscheidender strategischer Faktor für eine zukunftsfähige Entwicklung des Arbeitsmarktes im Kreis Groß-Gerau.