Enis Gülegen, Vorsitzender des hessischen Landesausländerbeirats, zeichnete ein nicht unbedingt rosiges Bild für die am Sonntag, 29. November, anstehenden Ausländerbeiratswahlen. Die Stadt Kelsterbach nahm er von seiner Prognose nicht aus. Viele der neu Zugezogenen könnten noch kein Deutsch, während die Wahlunterlagen aber in deutscher Sprache verteilt würden. Zudem sollten viele Betroffene eine Wahlurne aufsuchen, die für sie nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sei. Und viele verständen gar nicht, worum es bei der Wahl gehe, weil sie in ihrem bisherigen Leben noch nicht gewählt hätten.
Der Informationsabend der SPD zur bevorstehenden Ausländerbeiratswahl im Haus Weingarten war gut besucht. Der Abend ließ verschiedene Schlüsse zu. Einem zufolge kandidieren hessenweit immer noch zu wenig Frauen. Das Verhältnis 50 zu 50 ist noch lange nicht erreicht, erklärte Gülegen.
Schon jetzt bei 20 Prozent
In der Untermainstadt kandidieren bei der Ausländerbeiratswahl für die Kelsterbacher Internationale Liste 5 Frauen und 25 Männer. Für die Türkisch Internationale Liste gehen 6 Frauen und 17 Männer ins Rennen. Die Liste der Internationalen Freien Wähler umfasst 7 Frauen und 19 Männer. Allerdings erscheinen pro Liste nur elf Kandidaten auf den Stimmzetteln, weil der Ausländerbeirat der Untermainstadt lediglich elf Plätze besitzt. Wahlberechtigt sind nach Auskunft von Wahlamtsleiter Stefan Weikl circa 4700 Bürger. Die Wahlbeteiligung lag im Jahr 2010 bei knapp 20 Prozent. Allein aufgrund der Briefwahl liegen wir jetzt schon bei einer Wahlbeteiligung von 20 Prozent, erklärt Weikl, dass in diesem Jahr von einer größeren Resonanz auszugehen sei.
Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) verdeutlichte, warum die Wahl für eine derartige Informationsveranstaltung mit der Landtagsabgeordneten Kerstin Geis als Mitveranstalterin auf Kelsterbach gefallen war. Die Stadt zähle mit 33 Prozent Migrationsanteil den höchsten im Kreis. Zahlenmäßig angeführt werde die Liste von Griechen, dann folgten Türken und Italiener, neuerdings auch Polen und Bulgaren. In der weltoffenen Stadt herrsche ein gutes Miteinander, so Ockel.
Kerstin Geis betonte, dass die derzeitige Flüchtlingssituation eine große integrationspolitische Aufgabe für jeden sei. Weil das in den Kommunen geleistet werden muss, braucht es einen Generalplan und Investitionen in die Infrastruktur, so die SPD-Landtagsabgeordnete. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) habe dies als historische Aufgabe bezeichnet. Die SPD sehe sich aufgefordert, ein Konzept zu erstellen.
Einerseits zeigte sich Geis froh, dass 100 zusätzliche Integrationsklassen geschaffen und dafür 100 weitere Lehrkräfte zur Verfügung gestellt werden soll. Andererseits sagte sie: Wir benötigen aber 900. In Schulen würden 40 Millionen Euro investiert, in den Spracherwerb nur 6,5 Millionen Euro. Er ist das A und O für eine gelungene Integration, sagte Geis. Die SPD stehe an der Seite der Ausländerbeiräte.
Nicht infrage stellen
Auch laut Gülegen bedeuten die vielen Flüchtlinge die größte Herausforderung. Wir konzentrieren uns zu sehr auf ihre Versorgung, mahnte er. Die meisten Menschen dieser Einwanderungswelle blieben dauerhaft in Deutschland. Sie müssten rasch zur Selbstständigkeit befähigt werden. Jeder jetzt versäumte Euro koste künftig noch mehr. Flüchtlingskinder müssten in Regelklassen einsteigen. Statt Befähigung machen wir das Gegenteil, kritisierte Gülegen. Die 100 Integrationsklassen würden auf Kosten der Regelklassen eingerichtet, weil aus der Oberstufe Personal abgezogen werde.
Wir dürfen die Ausländerbeiräte nicht infrage stellen, sondern müssen sie stärken, betonte Gülegen. Er wies darauf hin, dass mit gut 2600 Kandidaten in Hessen für die bevorstehenden Wahlen mehr als sonst aufgestellt seien. Immer mehr junge Menschen stellten sich zur Wahl. Die Wahlbeteiligung wird in Zahlen, aber nicht in Prozent steigen, prognostizierte Gülegen.
Gewählt werden kann am Sonntag, 29. November, von 8 bis 18 Uhr im Rathaus, Mörfelder Straße 33.
Quelle: Frankfurter Neue Presse, 25.11.2015