Wer an hessischen Schulen Philosophie-Unterricht hat, erfährt nicht mehr unbedingt etwas über die jüdische Philosophin Hannah Arendt, die in der Nazizeit emigrieren musste. Während sie im bisherigen Lehrplan für das Fach aufgeführt wurde, steht ihr Name nicht mehr im neuen Curriculum.
Die Beschäftigung mit dem Philosophen Martin Heidegger hingegen, der in der Nazizeit ein Unterstützer Adolf Hitlers gewesen war, wird den Schulen auch im neuen Curriculum nahegelegt. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) bestätigte entsprechende Informationen der SPD-Abgeordneten Kerstin Geis am Dienstag im Hessischen Landtag.
Lorz betonte aber, man könne nicht von einer Streichung Arendts sprechen. Anders als ein Lehrplan alter Prägung gebe das neue Curriculum nicht bestimmte Lehrinhalte vor, sondern definiere nur die Kompetenzen, die Schüler erwerben sollten.
Anhand welcher Beispiele dies geschehe, bleibe stärker als bisher den Schulen und Lehrkräften vorbehalten. Die Namen, die jetzt aufgezählt würden, dienten lediglich der inhaltlichen Anregung und seien nicht verbindlich. Heidegger werde im Abschnitt über Sprache als Voraussetzung des Denkens genannt, weil er unumstritten ein bedeutender Sprachphilosoph sei.
Es stehe Schulen frei, eigene Schulcurricula zu entwickeln, betonte der Minister. So könnten sie die Befassung mit Hannah Arendt und ihrer Philosophie aufnehmen.
Politiker von SPD und Linken zeigten sich verwundert über die Gewichtung. Der SPD-Abgeordnete Gerhard Merz fragte spitz, ob Heidegger möglicherweise Lehrgegenstand bleibe, um sich mit Anpassungsfähigkeit auseinanderzusetzen. Heidegger war von 1933 bis 1945 Mitglied der Nazipartei NSDAP gewesen.
Hannah Arendt hatte 1933 nach einer zeitweiligen Inhaftierung Deutschland verlassen müssen. Nach dem Ende der Nazizeit berichtete sie für US-Medien vom Prozess gegen den Holocaust-Organisator Adolf Eichmann und prägte dabei das Wort von der Banalität des Bösen.
Quelle: Frankfurter Rundschau, 27.05.2015